Zur stetigen Weiter- und Fortbildung luden die „Salzburger Medienfrauen“ am 13. Juni 2022 ihre Mitgliedsfrauen kostenfrei zum hochinteressanten Workshop zur Steigerung der „Interkulturellen Kompetenz“ mit Journalistin Claudia Rochol in den neuen Kapitelsaal der Erzdiözese Salzburg.

„Der grundlegende Denkfehler heißt: Der andere denkt wie ich.“ Mit diesem einleitenden Satz hatte Fernsehredakteurin Claudia Rochol sofort volle Aufmerksamkeit. Im knapp zweistündigen Workshop bot die gebürtige Deutsche wertvolle Einblicke und zahlreiche „aha“-Momente zu (inter-)kulturell bedingten Missverständnissen. Anhand praktischer Übungen und vielseitiger Erklärungen wurden die Teilnehmerinnen für die Komplexität und Wichtigkeit des Themas sensibilisiert und konnten sich ihre eigene kulturelle (In-)Kompetenz bewusster machen und den Blick dafür neu schärfen.

In einer Zeit, in der die Welt kleiner scheint als jemals zuvor sind Verständigung, Toleranz und Akzeptanz Werte, die es uns einfacher machen unser Gegenüber zu verstehen. Ängste – vor dem Fremden, Unbekannten und dem Anderen – hindern uns offen und vorurteilsfrei aufeinander zuzugehen. Oftmals sehen wir die eigene Kultur, Denk- und Verhaltensweise als etwas Selbstverständliches.

Wie sehr wir geneigt sind, schnelle Urteile zu bilden, um uns in unserer rasanten Lebensweise zurecht zu finden, und wie sehr man bei diesem „Schubladen“-denken mit der eigenen Einschätzung daneben liegen kann, das führte uns Claudia Rochol eindrücklich vor.

Zum sommerlichen Workshop-Abend hatte sie vier Frauen aus Ihrem Bekanntenkreis als Gäste mitgebracht. Um gleich von der Theorie in die Praxis zu kommen, wurden die Teilnehmerinnen vor folgende Aufgabe gestellt:
Überlegt Euch – wenn ihr wollt zu zweit oder dritt – wie ihr die 4 Frauen einschätzt. Ihr bekommt ca 10 Minuten Zeit, um Euch folgende Fragen selbst zu beantworten (ohne die 4 Gäste zu befragen, … also die Einschätzung erfolgt nur aufgrund Eurer unüberprüften Assoziation und Bewertung):

1) Wer und was bin ich?
2) Welches Auto fahre ich?
3) Was mache ich beruflich?
4) Wo und wie verbringe ich meinen Urlaub?

Doris, Anke, Sabine und Marion wurden im großen Kapitelsaal nach vorne gebeten. Dort standen Sie Minuten lang unter dem bewertenden Blick der anwesenden Medienfrauen. Danach fand die „Aufklärungsrunde“ statt. Eine Frau nach der anderen wurde von den Salzburger Medienfrauen aufgeklärt, in welche Schubladen man sie gesteckt hatte… und die Gäste wiederum klärten zum Schluss auf, wie die Antworten wahrheitsgemäß lauteten. Während man bei der großgewachsenen schlanken Anke öfter dachte, sie sei Yogalehrerin oder mache Yoga, klärte sie auf, dass sie Yoga hasst … während Klettern ihr Ding sei …Bei Doris meinte man, bei der Frage, welches Auto sie fährt, „einen Golf“ … Ihre Antwort lautete jedoch „kein Auto, aber 2 Räder“ ….

Was durch die spielerisch-lustig anmutende Übung rasch klar wurde: wir denken oftmals in Klischees. Und während uns das rasche einordnen in Stereotypen als Orientierungshilfe im Alltag dienen soll, kommt es immer wieder zu Fehleinschätzungen.
„Der andere denkt wie ich“ … ist also eine oftmals fatale Annahme. Während des Abends wurden uns verschiedene Kulturmodelle nähergebracht. Es war die Rede vom Rucksackmodell, dem Eisbergmodell nach Siegmund Freud, Kulturdimensionen nach Geert Hofstede und Kulturstandards nach Alexander Thomas (alles empfehlenswerte Schlagworte zur jeweiligen Vertiefung!!!) …
Ein „Klick“-Moment folgte dem anderen.

„Der grundlegende Denkfehler heißt: der andere denkt wie ich“. Klick .
Das darf richtig tief sacken. Innehalten. Das Gehörte Wiederholen. Und nochmal. Und nochmal. Bis es irgendwann innerlich tiefer verankert ist.

Wenn ich mir genau das klarmache „der andere denkt (vermutlich NICHT) wie ich. Mein Gegenüber denkt anders“… dann kann ich Kommunikationsschwierigkeiten auf die Schliche kommen… So kann ich noch achtsamer hinhorchen oder auch behutsam nachfragen „wie siehst Du das? Was bedeutet das (für Dich)? …“

Wenn ein Österreicher sagt „interessant“ oder „ist ja spannend“, so lernten deutsche Zuhörerinnen, dass diese Aussagen bei Österreichern auch das Gegenteil bedeuten können. Ergo: wenn ein Österreicher einem Deutschen sagt, „das ist spannend“ meint er möglicherweise „ist ja langweilig, aber das will ich meinem Gegenüber nicht unter die Nase reiben, hoffen wir, die Deutsche versteht, dass ich kein Interesse habe und lässt mich in Ruhe“ …

Wenn man in Österreich etwas wirklich spannend findet, würde man eher ausweichen auf andere Worte, wie z.B. „lässig“, „leiwand“, „ur-cool“ (Sprachnuancen gibt es auch in Österreich, je nach Gegend und Bundesland drückt man sich verschieden aus).
Als Deutsche, die über 50 Länder bereiste und in vielen davon lebte (seit Ende 2011 in Salzburg), habe ich als Zuhörererin an dem Abend immer größere Augen gemacht. Während des Workshops wurde mir klar, dass ich (leider) nach mittlerweile 15 Jahren in Österreich lebend noch immer viel weniger verstehe, als ich zu verstehen glaubte. …

Innerlich schreibe ich mir auf meinen gedachten Notizzettel „Wenn wieder mal ein Streit zwischen mir und meinem österreichischen Mann entsteht, will ich künftig die Gelegenheit nutzen, näher hinzuschauen und noch achtsamer zu sein“ … denn was ist schöner, als sich auszutauschen und – zumindest ansatzweise – immer wieder zu verstehen, was der andere tatsächlich denkt und fühlt 

Ähnlichkeiten und sprachliche Unterschiede
Dass Tomaten in Österreich oft Paradeiser heissen, oder Kirschen hier Weichseln genannt werden…Kartoffeln eher Erdäpfel und der deutsche Stuhl in Österreich Sessel, und der deutsche Sessel in Österreich Fauteuil, … die deutsche Mütze in Österreich zur Haube, der Mülleimer zum Mistkübel wird… und ein Krug zum Krügerl, ein Brötchen zum Weckerl, der Tunnel zum Tun(d)el und dass das deutsche „laufen“ normalerweise nicht „joggen“ bedeutet, und daher von Österreichern in dem Fall stattdessen als „gehen“ bezeichnet würde … dies alles sind Unterschiede, die man recht rasch bemerken und erlernen kann.

Was für mich, als Zuhörende an dem Abend jedoch neu bewusst wurde, war, wie leicht Missverständnisse passieren, weil z.B. ich als in Deutschland aufgewachsene Dinge direkter sage, als jemand, der in Salzburg aufgewachsen ist. Ich werde der Aussage mehr Beachtung schenken, wo es auf einer Powerpoint Folie hieß, Deutsche argumentieren sachbezogen, während sich bei Österreichern Sach- und Personenbezogenes durchmischen… Bin nicht sicher, wieweit ich das bereits durchdrungen habe (ich glaube, durch diese kulturelle Verschiedenheit entstehen eine ganze Menge an Missverständnissen).

Österreichische Kolleginnen attestierten den Deutschen beispielsweise, dass ihre Direktheit öfter beleidigend wirke… Das ist für Menschen wie mich, die aus Deutschland kommen, schade, weil wir es gar nicht so meinen… gleichzeitig auch gar nicht so einfach, weil man auf eine bestimmte Art und Weise gelernt hat zu Denken, zu bewerten und sich zu verhalten… Dennoch wurde gerade an dem Abend neu klar: egal ob ich meinen österreichischen Ehemann oder einen Kunden oder eine Freundin verstehen möchte oder von meinem Gegenüber verstanden werden will – es ist wichtig immer wieder innezuhalten … sich in Erinnerung zu rufen: „Der grundlegende Denkfehler heißt: der andere denkt wie ich“ …

Also, was bleibt, ist: Sensibilisierung einüben. Neudeutsch: „Diversity Sensibilität“: üben, üben, üben. Denn: „Übung macht den Meister“. Und: „es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.“

Innere Notiz:
Wem hilft es, wenn ich freundliche Achtsamkeit (im interkulturellen Dialog) übe?
Mir – ich bin eher gelassen und nehme Dinge womöglich weniger rasch persönlich
Dem Anderen – er/sie fühlt sich wertgeschätzt statt womöglich ungewollt, „degradiert“ oder in eine falsche Schublade gesteckt.
Also… ich werde mich dem Thema weiter widmen. Wozu? Für eine gute gemeinsame Zukunft.
Was man wirklich bemerken kann: Interkulturelle Unterschiede gelten als eine der Hauptherausforderungen bei der Integration von Geflüchteten, Asylbewerbern und Migranten. Denn: Menschen aus verschiedenen Kulturen bringen unterschiedliche persönliche Vorlieben und Eigenheiten mit.

Genau betrachtet bewegen sich Menschen im privaten als auch beruflichen Umfeld in einer stets globalisierter und interkultureller geprägten Welt. Wo man hinschaut, gehören Begegnungen und Interaktionen mit Menschen aus anderer Kulturkreise längst zum Alltag. Umso wichtiger ist, dass man das eigene Feingefühl für die unterschiedlichen multikulturellen Prägungen für einen gelingenden Dialog ständig weiterentwickelt.

Wo interkulturelle Kompetenz fehlt, kann das gravierende Folgen haben. Dies kann von einer peinlichen Situation bis hin zum vollständigen Zusammenbruch der Kommunikation reichen oder gar zu Feindschaft, aufbrausenden Konflikten und Kriegen führen.
Gerade in Salzburg als österreichische Grenzstadt zum Nachbarland Deutschland von besonderem Interesse, hat Claudia Rochol durch ihre praxisrelevanten Ausführungen und spannenden Übungen die Augen dafür geöffnet, dass interkulturelles Training mehr vermittelt als Höflichkeitsfloskeln und Verhaltenstipps. Sie machte an diesem Juni-Abend Appetit, sich tiefer mit dieser komplexen Thematik auseinander zu setzen und neu eigene als auch anders unterschiedlich kulturell konotierte Verhaltensweisen zu betrachten.
Durch den Abend mit Claudia Rochol wurde offensichtlich: die Entwicklung von interkultureller Kompetenz ist zur Verständigung hochgradig wichtig und wertvoll.

Gerade für die Salzburger Medienfrauen, die durch ihr Auftreten und ihre Kommunikation in PR und Journalismus wirken, gehört die richtige Einschätzung von kulturübergreifenden Situationen und Verhaltensweisen zum Handwerkszeug. Denn im Bereich der Medien ebnen sie durch ihren erweiterten Wirkungsradius den Weg in eine gelingende Zukunft durch feinfühlige Verständigung und respektvolles Miteinander in Beruf und Alltag.

Claudia Rochol wuchs als Tochter einer deutschen Mutter und einem brasilianischen Vater auf. Bereits in ihrer Kindheit wurde sie dadurch mit sehr unterschiedlichen Kulturen konfrontiert. Diese interkulturelle Erfahrung prägte sie und ihr Leben. Mit dem Abschluss ihres Studiums als Angewandte Kulturwissenschaftlerin und ihrer darauffolgenden Tätigkeit als Fernsehredakteurin brachte sie ihren Erfahrungsschatz im Alltag und Beruf ein. Nachdem Sie innerhalb Deutschlands mehrmals umzog und verschiedene innerdeutsche Kulturzonen erlebte, ging sie 2012 für drei Jahre mit Ihrer Familie nach Indien. Seit 2015 lebt sie in Salzburg. In der Reflexion bemerkte sie, dass ihre mannigfaltigen Erfahrungen sie selbst das ein oder andere Mal an die Grenzen ihrer Toleranz und Akzeptanz brachten. So entschloss sie sich die Ausbildung zur Interkulturellen Trainerin am IKUD Institut zu machen. Die damit in Göttingen erweiterten Kompetenzen wendet sie bis heute an und vermittelt die Sensibilisierung für Unterschiede und Kommunikationsfeinheiten weiter. Für eine gute Zukunft und Achtsamkeit im Dialog mit Menschen verschiedener Kulturen, Wertehorizonte und Ansichten.

Text: Claudia Henzler | HENZLERWORKS photos with a message

Interkulturelle Kompetenz-Vortragende: Claudia Rochol